Nichtbinär

Ich

„Ich will so bleiben, wie ich bin“ – erinnern Sie sich an diesen Werbeslogan einer Margarine-Marke? Die Aussage kann man ja auch philosophisch verstehen, um über die eigenen Eigenschaften einmal nachzudenken. Wie bin ich denn – und kann ich dazu stehen?

Um so zu bleiben, wie ich bin musste ich erst mal überhaupt wissen, wie ich bin. Und dann konnte ich erst so werden, wie ich bin. Klingt das abwegig?

Bei näherem Hinsehen keineswegs. Denn in vielen Bereichen lassen wir uns von Traditionen leiten, außerdem von Erziehung, gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Moden. Da gibt es dann keine Gelegenheit, über verborgene Eigenschaften näher nachzudenken. Diese Vorgaben werden auch von unseren Mitmenschen geprägt und vermittelt. Jeder will den gängigen Wertvorstellungen entsprechen – tut jemand es nicht, wird diese Person von den Mitmenschen gerne und meist umgehend daran erinnert oder – bei Ignorieren der stets „gut gemeinten“ aber alternativlosen „Vorschläge“ allzu schnell mit kleineren oder größeren Strafen belegt, gemieden, verunglimpft oder gar von künftigem Umgang ausgeschlossen. Die Bereitschaft, zu Abweichungen von der „Norm“ zu stehen, ist deshalb gering.

Abweichung bedeutet also, sich aus dem Windschatten der Masse herauszuwagen – mit dem Risiko, besondere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und eventuell aus der Gruppe mit ihren Gewissheiten und Sicherheiten ausgeschlossen zu werden. Das könnte anstrengend werden, auch unangenehm. Die entsprechende Klaviatur wird derzeit auch ganz offiziell in einigen Staaten gespielt, besonders extrem zum Beispiel in US-Amerika.

Ein Grund, ganz und gar nicht dem oben genannten Werbeslogan zu folgen. Damit können viele Menschen nicht zu dem stehen, wie sie sind – sie entsprechen in Erscheinung oder Empfinden vielleicht nicht der Norm, ordnen sich aber den Vorstellungen der Masse unter, um nicht anzuecken. Die Folge sind Frustrationen und – trotz Unterordnung – möglicherweise dennoch fortgesetzte Kritik der normativen Masse – etwa, wenn jemand „zu dick“ ist, zu lange Haare hat, keine angesagte Kleidung trägt oder sich nicht geschlechtskonform verhält oder kleidet. Das kann zu Unzufriedenheit und im Extremfall bis in eine Depression führen. Dieses Leben im „Falschen“ macht auf Dauer krank.

Deshalb kann es auch ein Akt der Befreiung sein, die normativen Fesseln – vielleicht auch nur wenigstens zum Teil – abzulegen und aus dem Schatten der Vorgaben herauszutreten. Um dann zu sagen: Ich will so bleiben wie ich bin. Falls ich das überhaupt schon weiß!

Schluss mit dem Herumgedruckse, dem Verstecken und der Frustration über unberechtigte Kritik. Und vor allem Schluss mit dem Diktat der Anderen, die ihre angebliche Gleichheit zu verteidigen suchen. Aus Abweichung kann auch Stärke werden, Selbstbewusstsein und Zufriedenheit. Denn ich kann mich nun als „richtig“ wahrnehmen und auch über meine Abweichungen offen reden – freilich auf die Gefahr hin, bei einigen Menschen sofort auf Staunen, Abneigung oder gar offene Ablehnung zu treffen. Auch das kann anstrengend oder lästig sein.

„Ich will so bleiben, wie ich bin“ – die damit verbundene Bewusstwerdung ist dann vielleicht sogar der Beginn von Veränderungen. Kurios, aber nach außen war ich ja vielleicht gar nicht, wie ich wirklich bin, weil ich das verstecken wollte oder musste. Und war mir dessen vielleicht noch nicht einmal bewusst. Von anderen wird dann eventuell eine mehr oder weniger dramatische Veränderung wahrgenommen, die nahestehenden Personen dann auch erklärt werden sollte.

Meine persönliche Empfehlung ist: Wer sich frei macht von den Konventionen, wird mit einem neuen Selbstwertgefühl und Lebenszufriedenheit belohnt. Auch wer zunächst vorsichtig mit dieser Art der Selbstwerdung beginnt, wird zu neuen Einsichten über die eigene Person, aber auch die persönliche Umgebung gelangen. Die ersten Schritte erfordern Mut, aber dann wächst schnell das Selbstbewusstsein. Zu sich selbst zu stehen, gibt Kraft!

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